Junge Frau mit Bergkulisse im Hintergrund

Kein Entweder-oder bei Krebstherapie

Der deutsche Onkologe und Klinikchef Friedrich Douwes erläutert im Gespräch mit den Salzburger Nachrichten, wie Schulmedizin und Komplementärmedizin (nicht toxische Krebsbehandlung) in der Krebstherapie zusammenwirken können. Das Interview führte Josef Bruckmoser.

Gesunde Anteile im Körper unterstützen, den Stoffwechsel der Tumorzellen behindern und den Patienten entstressen. Das sind Ziele einer nicht toxischen Krebsbehandlung. Wann und wie weit kann das hilfreich sein?

SN: Was heißt nicht toxische Tumortherapie?

Douwes: Das ist eine Tumortherapie, die im Gegensatz zur konventionellen Therapie nicht giftig ist also wenig bis keine Stoffe enthält die eine negative Wirkung haben. Eine Chemotherapie bekämpft den Tumor, aber immer auch das gesunde Gewebe. Die nicht toxische Therapie wirkt auf eine andere Weise und kann dabei auf drei unterschiedlichen Ebenen ansetzen: Sie kann in den Tumorstoffwechsel eingreifen, sie kann das umliegende gesunde Gewebe bzw. das Immunsystem stützen und sie kann den Körper entstressen. Wir bekämpfen damit den Tumor und unterstützen zugleich das Positive im Patienten.

SN: Wem kann man eine solche Therapie anraten?

Zum Beispiel Frauen, die einen Eierstockkrebs haben und bei denen die erste und die zweite Chemotherapie wunderbar gewirkt haben. Aber dann tritt der Tumor plötzlich wieder auf und ist resistent. Und es stellt sich die Frage: Was machen wir jetzt? In solchen Fällen kommt diese Therapie stark ins Spiel.

SN: Geht es dann um ein Entweder-oder oder um eine begleitende Therapie?

Wir bieten die nicht toxische Therapie von Anfang an als komplementärmedizinische Maßnahme an, also begleitend zu einer Chemotherapie oder Strahlentherapie. Es gibt immer mehr Hinweise darauf, dass die konventionelle Therapie dadurch unterstützt werden kann. Zum Beispiel konnte man für Methadon im Tierversuch zeigen, dass es die Effektivität einer Chemotherapie verstärkt. Genau darum geht es, die konventionelle Therapie effektiver zu machen, Nebenwirkungen zu verringern und die Lebensqualität der Patienten zu steigern.

SN: Es ist also in der Regel kein Ersatz für eine Chemo?

Nein, es gibt kein Entweder-oder. Es gibt Alternativen zu mancher konventionellen Therapie, aber das heißt, dass diese gleichwertig sein muss. Entweder-oder geht nicht. Wir sind eine Fachklinik mit dem Schwerpunkt Onkologie. Konventionelle Therapie und antitoxische Therapie gehen Hand in Hand.

SN: Sie haben aber auch Alternativen angesprochen.

Es gibt ältere Patienten, wo man überlegen kann, ob man ihnen noch eine Chemotherapie mit relativ vielen Nebenwirkungen zumuten soll oder muss. Rechtfertigt der Gewinn, den sie eventuell daraus ziehen, ihnen einen Teil ihrer Lebensqualität zu nehmen? Noch dazu unter der Prämisse, dass wir im Vorhinein nicht wissen können, wie oder ob ein Patient überhaupt auf eine Chemotherapie oder Strahlentherapie anspricht. Da kann man sagen, schauen wir zuerst, wie weit wir mit einer nicht toxischen, weniger belastenden Therapie kommen.

SN: Kann dadurch nicht wertvolle Zeit verloren gehen?

Nein, weil der Patient engmaschig betreut wird. Das heißt, es wird selbstverständlich ständig überprüft, wie sich der Tumor verhält. Wächst er, wächst er nicht, welche Probleme macht er? Entscheidend ist, dass die Mediziner sowohl die konventionelle wie die antitoxische Therapie beherrschen.

Bedauerlicherweise sind manche konventionellen Mediziner bisher oft wenig bereit, sich mit den Methoden der Naturheilkunde auseinanderzusetzen. Ihr Argument ist, dass die Wirkung nicht in klinischen Studien nachgewiesen sei. Das heißt auf der anderen Seite dass die Erfahrung, die mit solchen Therapien gemacht wurde, nicht angenommen wird.

Ein Beispiel: Metformin ist ein Mittel für Diabetiker. Nun hat man vor vielen Jahren festgestellt, dass Frauen, die wegen Diabetes Metformin bekommen haben, bei Brustkrebs und einer Chemotherapie besser abgeschnitten haben als andere Frauen, die keinen Diabetes hatten und daher nicht mit Metformin behandelt wurden. Metformin kann also einen Vorteil bei Brustkrebs verschaffen. Die Wirkung geht dabei über den Stoffwechsel das heißt, dass die Tumorzelle, die einen ganz anderen Stoffwechsel hat als eine gesunde Zelle, in ihrem Wachstum gehemmt wird. Sie kann nicht mehr so schnell Energie aufbauen und wird dadurch verwundbarer. Die Chemotherapie hat es dann leichter, solche geschwächten Tumorzellen zu bekämpfen. Heute gibt es hinreichend Hinweise – auch wenn das noch nicht in großen Studien bewiesen ist –, dass Patienten mit einem Hirntumor durch Methadon eine höhere Ansprechrate bei einer Chemotherapie haben.

SN: Welche Rolle spielt die evidenzbasierte Medizin die auf Studien beruht?

Wenn ich eine evidenzbasierte Therapie habe, muss ich diese als Ausgangspunkt für die Behandlung nehmen, das ist selbstverständlich.

SN: Welche Methoden wenden Sie darüber hinaus an?

Zum Beispiel die Überwärmungsbehandlung, die Hyperthermie. Diese kann eine Strahlentherapie und eine Chemotherapie unterstützen. Wenn Sie mich nun fragen, wie wirksam die Hyperthermie ist dann würde ich sagen, sie kann vielleicht einen Tumor zerstören, aber sie hat keinen onkostatischen Effekt, das heißt, sie kann das Wachstum des Tumors nicht hemmen. Dieser wächst weiter, sobald man die Hyperthermie beendet. Daher muss man beide Therapien, die konventionelle mit Zytostatika (das Zellwachstum hemmende Stoffe Anm.) und die Hyperthermie, kombinieren. Dann erhält man eine bessere Ansprechrate und eine höhere Dauer des Ansprechens und man kann die Toxizität verringern.

SN: Auch die Hyperthermie ist eine komplementäre Begleittherapie?

Ja. Es wäre falsch, nur die Hyperthermie anzuwenden und dem Patienten zu sagen, es ist alles in Ordnung. Die Hyperthermie kann den Tumor vernichten oder fast vernichten. Aber der Patient braucht dann für mindestens sechs bis acht Monate eine Zusatzbehandlung. Damit kann man Ergebnisse erreichen wie mit einer Bestrahlung.

SN: Es gibt viele sogenannte alternative Krebstherapien. Wo ist die Grenze?

Bei uns sind die Grenzen sehr eng. Es muss eine gewisse Rationalität dahinter sein, es muss eine gewisse Reproduzierbarkeit gegeben sein. Glaube und Hoffnung allein reichen nicht – obwohl auch jeder konventionelle Mediziner zugeben wird dass bei einer Krebsbehandlung der Placebo-Effekt, das heißt der Glaube des Patienten, sehr hoch ist.

Aber wir bleiben auf dem Boden des Reproduzierbaren und dessen was mit der konventionellen Medizin kommunizierbar ist. Dazu gehört, dass die klassische Onkologie zunehmend versucht, in bestimmte Signalwege einzugreifen, also in den Stoffwechsel der Zellen. Da gibt es große Erfolge, sodass man dem Patienten sagen kann, Sie haben große Chancen, trotz dieser Krankheit ein normales Leben zu führen.

Friedrich Douwes ist ärztlicher Leiter der Klinik St. Georg in Bad Aibling und Präsident der Deutschen Gesellschaft für Onkologie, die Naturheilverfahren und Komplementärmedizin fördert.

Das Interview erschien am 19.10.2017 in den Salzburger Nachrichten. Die Veröffentlichung erfolgt mit freundlicher Genehmigung des Autors.