Blutplättchen in einer Ader

AT1-Rezeptor-Blocker – interessante Adjuvantien in Tumor-Therapie

Zusammenfassung: Losartan kann peritumorales Kollagen auflösen, Chemotherapie deutlich wirkverstärken, Aszites vermindern und intratumorale Blutgefäßneubildung blockieren. Retrospektive Analysen bei OvCa zeigen, dass Losartan-Verwenderinnen im Vergleich zu Patientinnen mit anderen Blutdrucksenkern ein um 30 Mo längeres Overall-Survival haben.

Tumor-Stroma – die unbekannte Größe

Ich bin auf die Potenz der Sartane aufmerksam geworden, als ich über STROM-TUMOR-Interaktionen recherchiert habe.

Was kaum bekannt ist: Tumor-Zellen versklaven die umgebenden Fibroblasten über Mikrovesikel (Studie 2019, Review 2018). Die tumornahen Fibroblasten müssen in den Warburg-Glykolyse-Stoffwechsel umschalten und der Tumor importiert die fibroblastische Milchsäure als zusätzliche Energie-Quelle, um sie oxidativ zu verbrennen.

Man nennt das den „reversen Warburg-Mechanismus“ . Diese Tumore – ca 30% – sind besonders bösartig und therapieresistent, sie lassen sich auch durch ketogene Ernährung nicht besonders beeinflussen.

Apropos Ketogen: kontraindiziert beim Prostatakrebs

… genauso wenig wie das Prostata-Karzinom, das ja v.a. vom Fett lebt (deswegen machen wir keine Zucker-PET, sondern eine Fettsäure-PET) und durch ketogene Ernährung regelrecht erblüht (Retzek, eigene Beobachtung, J.Epidemiol.2012, ClinOncol 1998 u.v.m.). Nur Fischöl verbessert die Prognose von Prostata-Krebs.

Die nachfolgende Studie hat mich elektrisiert, da mit einem bewährten und millionenfach verschriebenen Blutdruckmittel deutlicher Einfluss auf das Krebsgeschehen genommen werden kann:

Ovarial-Karzinom: 30 Mo Verlängerung Overall Survival durch Losartan zur Chemo

Losartan erhöht Chemo-Wirkung und reduziert Aszites im Eierstock-Krebs durch Normalisierung des Tumor-Stromas

Bei Ovarial-Karzinom-Patienten korreliert die Überlebenszeit mit dem Ausmaß der Tumor-Fibrosierung, welche durch Angiotensin angetrieben wird.

In der Studie wurden 2 OvCa-Tumor-Modelle erzeugt und mit Losartan behandelt, daraus ergaben sich folgende Erkenntnisse:

  1. Losartan erhöht die Effizienz der Paclitaxel Behandlung durch Normalisierung des Tumor-Microenvironments, was zu einer verbesserten Durchblutung und Chemotherapie-Anlieferung führt.
  2. Losartan vermindert die Matrix durch antifibrotische miRNA, die auch als Marker für Chemo-Resistenz gilt.
  3. Obwohl Losartan alleine keinen Einfluss auf die Tumor-Last hat, vermindert es die Menge des Aszites.
  4. Unsere retrospektive Untersuchung zeigt, dass Patientinnen mit Ovarial-Carcinom und Sartan-Therapie – gleichzeitig zur Standard Chemo – im Vergleich zu Patientinnen mit anderen Antihypertensiva eine um 30 Monate längeres OS (Überleben) haben.

PNAS 2019

Überlebens-Daten sind drastisch vom Angiotensin-System abhängig!

Ohne den AT1R haben wir praktisch vollständige Heilbarkeit des Tumors. Außerdem, wie weiter unten gezeigt wird, induziert der AT1R die Expression von VEGF.

Overall survival (OS) and progression-free survival (PFS) curves drawn using the Kaplan–Meier method according to the AT1R expression (A and B), VEGF expression

Overall survival (OS) and progression-free survival (PFS) curves drawn using the Kaplan-Meier method according to the AT1R expression (A and B), VEGF expression  © BMJ2006 FulltextPDF

Angesichts dieser Daten aus dem BMJ 2006 (FullTextPDF) ist es interessant, dass dem klinisch, in Form von weiteren Studien, kaum Rechnung  getragen wurde.

Wie wirkt es?

Die Zusammenhänge aus einer Zusammenschau vieler Studien

Zusammenschau ist kompliziert und nicht für Laien überblickbar:

Angiotensin II ist ein blutdruckregulierendes Hormon, welches in der Niere und dem Kreislauf erzeugt wird. Die Freisetzung aus dem Angiotensinogen wird durch ACE bewirkt.

Es gibt dafür Angiotensin II Rezeptoren Typ1 =AT1R und Typ2 = AT2R (diese sind nukleär), welche gegensätzliche Wirkung auf Durchblutung und Blutdruck u.v.m. ausüben.

Das Verhältnis zwischen AT1R / AT2R ist für die Überlebenszeit maßgeblich.

  • AT1R – aktiviert den Krebs und die AT1R-Blocker „Sartane“ sind krebshemmend.
  • AT1R wird im Krebs hochreguliert, je stärker desto schlechter die Prognose.
  • AT1R triggert das VEGF-System und multiple krebspromovierende Zytokine, beeinflusst aber nicht die Krebs-Immunulogie. Hemmung von At1R reduziert auch VEGF.
  • Nukleäre AT2R – hemmt den Krebs, sogenannte AT2R – AGONISTEN sind dann krebshemmend.
  • Haupteffekt ergibt sich in der Prophylaxe sowie als Adjuvans zur Chemo / Radiatio, weniger als direkt tumorstatisches Mittel.

Colorektales Karzinom: Hemmung IGF-1 und VEGF

Suppression des AT2-Rezeptors durch Sartane konnte die Entwicklung von Tumoren und Polypen im Colon vermindern, sowie auch die Ausbildung von Metastasen. Dieser Effekt wird durch Hemmung der Angioneogenese / VEGF und von IGF-1 vermittelt. CurPharmDes.2019

Spannend wäre die Hemmung von IGF-1 durch Losartan, denn dann könnte man den Einfluss von Protein-Nahrung auf Tumor-Progression entkoppeln.

Plattenepithel-Karzinom im Mund: Adjuvierung der 5FU Chemo

Angiotensin-Rezeptoren sind klar mit Progression von „Oral Squamous Carcinoma“ verbunden, zeigte die Untersuchung von 23 verschiedenen Karzinomen.

Man kann zeigen, dass durch Losartan die Wirkung von 5FU erhöht werden kann. Oncotarget 2018

Im Mausmodell für Brustkrebs kann Tumor-Bildung und auch die Pathogenität des Tumors gehemmt werden

Brustkrebse mit schlechter Prognose haben eine Upregulation von AT1R.

Mäuse bekommen Brustkrebs durch Chemie induziert. Losartan hemmt 20% davon und reduziert auch Tumor-Load sowie Progression über Hemmung von Proliferation, IL-6, TNF-a, hat aber keinen Einfluss auf MAF / TIL… Studie 2017

AT1R in Brustkrebs stimuliert Mobilität und Metastasierung

Über Angiotensin II –> AT1R kommt es zur Aktivierung von PIK3/AKT (–> mTOR) und NFkB, außerdem werden mehrere MatrixMetalloProteinasen exprimiert. Das alles führt zu einer deutlichen Aktivierung der Mobilität und Metastasierungsfähigkeit der Zellen. Studie 2014

Pankreas-Karzinom: Angiotensin II upreguliert VGEF

Schon 2008 rausbekommen: AT1R und VEGF werden in den Krebszellen zusammen hochreguliert und exprimiert, AT1R hat hier eine treibende Kraft. Wenn mit Sartanen AT1R blockiert wird, dann wird VEGF ebenfalls reduziert.

Apoptose unabhängig von (mutiertem) p53 durch Losartan induziert

Studie 2010 zeigt, dass Angiotensin II Rezeptor-Blocker direkt auf die Krebszelle pro-apoptotisch wirken, nicht nur indirekt über Durchblutungshemmung. Dies auch bei mehreren Pancreas-Zell-Modellen, die p53 mutiert sind.

Keine Überlebenszeit-Verlängerungen bei HCC der Maus durch ACE / Sartane

Sartane oder ACE-Hemmer alleine sind nicht genug, wie diese Studie von 2018 zeigt. Obige Studien sind alles Chemo-Adjuvierungs-Studien bei denen drastische ÜLZ-Verlängerungen von Chemo + Losartan erreicht wurden. Im Gegensatz hierzu steht allerdings die folgende Mäuse-Studie ToxicLett2018, bei der mehrere Sartane HCC am Weiterwachsen gehindert haben, der Mechanismus ist die Verringerung von NFkB –> TGF-ß TNF-alpha –> VEGF und MMP2.

Losartan kann humane Leukämiezellen nicht hemmen

Losartan hatte keinen Einfluss, ein weiterer AT2R-Blocker ANG1-7 konnte aber die Leukämiezellen sehr deutlich wachstumsblockieren: Studie 2018.

Gastro-Ösophageale Krebs-Patienten: Überleben verbessert bei AT-Rezeptor-Blocker User

Bei 5100 Patienten (davon 360, die einen AT-Rezeptor-Blocker verwendet haben) konnte man eine dosis- und zeitabhängige Überlebensverbesserung (moderat, aber statistisch signifikant) feststellen: bei 2 Jahren Losartan war der Effekt 0.42 (Studie 2018).

Fazit

Der AT1R – Mechanismus bietet einen deutlichen, direkten und kausalen Zusammenhang mit

  1. Krebs-Entstehung
  2. Krebs-Ansprechen auf Chemotherapien

Ohne Chemotherapie macht das Medikament vermutlich wenig Sinn, bei der Chemotherapie und auch Bestrahlung aber führt es zu einer deutlichen Wirkverstärkung, gerade auch für Ovarial-Karzinom gibt es deutliche klinische Daten, die auf ein ÜLZ-Profit von 30 Mo hinweisen!

Ob auch ACE-Hemmer hier mithelfen, ist noch zu bestimmen, erste Hinweise habe ich gefunden (Studie 2015).

Losartan zur Chemo

Es macht aus diesem Blickwinkel Sinn, im Rahmen eines tumorstatisch adjuvanten Chemo-Cocktails Losartan bei den beschriebenen Karzinomen  Mund, Colon, Ovarial, Magen, Ösophagus zur Chemo mit einzusetzen.

Bitte beim Ovarial-Carcinom unbedingt den Artikel über Propranolol und Überlebenszeit-Verdreifachung lesen!

Über den Angiotensin-Stoffwechsel

Aus einer kurzen Review über den Angiotensin-Stoffwechsel: Oncotarget 2017 Fulltext

 

Für den Inhalt verantwortliche Autor: Dr. med. Helmut Retzek | Arzt für Allgemeinmedizin. Nachdruck des Originalartikels mit der freundlichen Genehmigung des Autors.